Bremen

Akika X im Theater Bremen

Dass ich mir die neueste Akika-Produktion ansehe, ist keine Überraschung mehr. Mein allererstes Tanztheaterstückerlebnis „Extended Teenage Era“ stammt von ihm und der Kompagnie Unusual Symptoms. Seine Arbeit hat mich überhaupt erst an das Thema Tanztheater herangeführt. Nun wurde sein zehntes Stück in Bremen aufgeführt und ich muss sagen, ich habe fast alle voran gegangenen Arbeiten sehen dürfen. Akika X heißt es, der Arbeitstitel hat sich einfach in den finalen Titel verbindlicht.


Es fängt verträumt mit einer dunkeln Einschlafszene an. Der Mann (Frederik Rohn) geht umständlich ins Bett, hat übrigens einen roten Wickelrock an. Im Bett angelangt, beginnt der Traum. So wirkt es zumindest. Ist das der Rahmen? Die filmische Erzählstruktur. Der Traum relativiert alles Folgende? Eine wunderhübsche Sirene (Pin-Chieh Chen) erscheint wage hinter Glas und entführt ihn ein eine andere (Traum-)Welt. Und, schwupp! Es geht jetzt Schlag auf Schlag. Kurz habe ich auf eine Internet-VR-Porno-Kritik gewartet. Die bleibt aus, was nicht schlecht ist. Fantomas‘ Bett wird jedenfalls wieder auftauchen. Aber erst am Ende.

Der Ballon steigt in die Luft

Eine Klappe knallt. Der sportliche Joker, androgyn von Ulrike Reinbott gespielt, steckt den Raum ab und umkreist das Bühnenbild. Es gibt Musik aber kein gesprochenes Wort. Wenn wir Laute nicht dazu zählen.
Ein Motiv ist der knirschend rhythmische Schritt-Sound, der sich im ersten Drittel und auch am Ende wiederholt. Die Andeutungen und Zitate sind vielfältig. Ich würde Réné Magritte in den Raum werfen. Die Referenz zum Surrealismus bleibt beim Thema Illusion nicht aus. “Tout ce que nous voyons cache quelque chose d’autre.” sagt René Magritte. Alles was wir sehen, verdeckt etwas anderes. Etwas anderes ist dahinter. Im wörtlichen und übertragenen Sinn. Die Tänzerin mit zwei Haarschöpfen mäandert immer wieder kompliziert ins Bild und zwingt uns zur Auseinandersetzung. Drehen und wenden. Kein Entrinnen.
Cinéasten werden vielleicht Clockwork Orange entdecken und und den stilisierten Look entfernt erahnen oder andere Kubrick Szenen aus dem Erinnerungskästchen holen. Heart Shaped Box von Nirvana kam mir beim Schauen in den Sinn, und jetzt, wo ich das Video noch einmal sehen kann, kann ich die Verbindung nur in greller Darstellung und einer gewissen, tragischen Stimmung herstellen. Das trifft sicher auf sehr viele Stücke zu.

Die mittelgroße Illusion?

Es passiert viel auf der Bühne, siehe Magritte. Manches ist verdeckt, anderes wird erst beim mehrmaligen Schauen sichtbar.
Und Sex? Die Männer dürfen weiblich sein. Unverblümt in Rock, Corsage, Kleid bleiben sie doch Mann. Die Begierdeszene wird mit dem erbärmlichen Pumpvorgang und Lufballonformkünsten ins lakonische Illusionslicht gerückt. Das Machtspiel um Wollen und Sollen und Müssen und Können endet doch in männlicher Dominanz. Die Begegnungen wechseln. Nein heißt nein. Keine Frau zieht sich aus. Es ist ein Mann.
Die vielen Gesichter und die unendliche Gleichmacherei, das therapeutische Selbstreflektieren wird im letzten Drittel auf die Spitze getrieben. Mein Ich beobachtet mich, wie ich, ich bin. Antonio Stella füllt diese Maskenszene voll aus. Umzingelt vom eigenen Bild. Sich im eigenen Bild versteckend.

„Comment nous assurer que nous ne sommes pas dans l’imposture?“ sagt Jacques Lacan.

Besetzung

Pin-Chieh Chen, Gabrio Gabrielli, Janis Heldmann, Pilgyun Jeong, Alexandra Llorens, Ulrike Reinbott, Frederik Rohn, Nora Ronge, Antonio Stella, Szu-Wei Wu
Choreografie Samir Akika
Bühne und Kostüme Nanako Oizumi
Musik jayrope
Dramaturgie Gregor Runge

Gregor Runge hat auf der Theater Bremen Seite noch einen längeren Text zum Stück veröffentlicht.

Termine

Dienstag, 08. November 2016, 20:00 Uhr
Freitag, 11. November 2016, 20:00 Uhr
Mittwoch, 16. November 2016, 20:00 Uhr
Freitag, 02. Dezember 2016, 20:00 Uhr

Mittwoch, 07. Dezember 2016, 20:00 Uhr
Freitag, 6. Januar2017, 20:00 Uhr

Ort

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2 Kommentare

  • Antworten Ausgehtipps für das zweite Novemberwochenende in Bremen 11. November 2016 at 11:15

    […] Hexenjagd ansehen. Meinen Beitrag hierzu gibt es auf dem Blog. Oder zum bunten Akika X, einen Tanztheater-Flash abholen. Den Bericht findet ihr auch bei […]

  • Antworten Ausgehtipps fürs erste Dezemberwochenende - Blumenbrigade 2. Dezember 2016 at 11:54

    […] Akikas Tanztheaterstück Akika X wird heute im Theater Bremen gezeigt. Meinen Blogbeitrag zum Stück kennt Ihr schon […]

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