Vibration, Stress und Gruppe. Nach einem Tag im intensiven Gespräch oder verbracht im Strudel der Businesskleinigkeiten und Kompetenzverschiebungen sitzen wir als Zuschauerinnen in Hiatus. Mein Tag war sehr gut. Klar bin ich gerade aufgewühlt, aber auch wohlwollend. Meine Begleitung hat sich gerade noch rechtzeitig aus dem Büro und einer Problemsituation ins Theater begeben. Handy aus, Licht aus. Jacke weg. Warum ich das erzähle? Weil wir uns in Hiatus in viele situative Micro-Konfrontationen begeben.
Hiatus bedeutet Auslassung, Loch. In der Geologie ist diese Auslassung ein Ort, an dem keine Ablagerungen stattfanden. Geologisch oft nicht nur räumliche, auch zeitliche Auslassung. Und dies Auslassung wird sich erzählerisch durch das Stück ziehen.
Ist Hiatus nun also der Nicht-Ort, an dem wir alles thematisieren können? Wir blicken auf den kargen Ort, den optional mal mehr mal weniger Neonröhren beleuchten, mal in Hashtagandeutung mal in Mikadochaos. Neon ohne wirkliche Farbe. Grell in der schonungslosen Ehrlichkeit. Es startet mit Vibrationen und Formationen, die unsere komplexen Gruppenzugehörigkeiten thematisieren. Es ist viel Angst im Spiel, wenn es um den Umgang mit Fremden und Vertrauten geht. Enge erleben wir quälend und überhaupt ist die Sensibilität des Individuums gegenüber Gruppen ein zentrales Thema. Wie hält die Person die Andersartigkeit aus. Wie hält die Person aus, sich verkrampft in das System einzufügen und sich anzupassen. Die quälende Zugehörigkeit kippt. Wieso nicht wohlwollend Teil der Gemeinschaft sein. Es ist möglich. Trotzdem, die stückhaften Szenen, vom Choreograph Helder Seabra als Tableaux Vivants inszeniert, konzentrieren sich auf den düsteren Blick der Konfrontation. Begleitet wird das Stück musikalisch von Stijn Vanmarsenille, der uns einen elektronischen Soundteppich konstruiert, nicht ohne ab und an die Gitarre in die Hand zu nehmen.
Hiatus: Oszillieren zwischen sozialen Gruppen
Die Selbstbeschäftigung: du-in-einem-Wort; deine-Farbe; andere-über-dich-in-drei-Worten.
Hiatus ist ein sehr tanzlastiges Stück, das hört sich jetzt albern an, schließlich handelt es sich ja um Tanztheater, trotzdem ist der Anteil ja variabel. Im Gegensatz zum vergangenen Stück Amour, welches interdisziplinär weniger Platz für reinen Tanz hatte, gibt es viel präsenteren Tanz. In Hiatus kommen wir in einen Strudel der Bewegung. Es bauen sich immer wieder performative Phasen, sehr lautem tänzerischem Ausdrucks auf. Meine liebste Szene ist der loopartige Tunnel aus zeitlupenartigem Fallen der Tänzer*innen. Die Variationen darin.
Eine klare Empfehlung. Auch für neugierige Personen. Gern auch mit Liebe zur elektronischen Musik. Jede*r wird sich in einer jener Begegnungen wiederfinden und an seinen unausgesprochenen Monolog erinnert fühlen.
Termine
Samstag, 10. November 2018, 20:00 – 21:10 Uhr
Freitag, 30. November 2018, 20:00 – 21:10 Uhr
Mittwoch, 12. Dezember 2018, 20:00 – 21:10 Uhr
Donnerstag, 20. Dezember 2018, 20:00 – 21:10 Uhr
Besetzung Hiatus
von und mit: Gabrio Gabrielli
Michai Geyzen, Nóra Horváth, Alexandra Llorens, Ulrike Reinbott, Diego de la Rosa, Andor Rusu, Young-Won Song
Choreografie Helder Seabra
Bühne Matthieu Götz
Kostüme Alexandra Morales
Licht Tim Schulten
Musik Stijn Vanmarsenille
Dramaturgie Gregor Runge
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