So manches Mal waren wir auf Jükk. Würde er wohl sagen. Ich lernte ein Getränk namens U-Boot kennen und saß mit ihm in der Vorlesung zum Französischen Surrealismus. Tja. Es gab Spaghettiabende und kollektives TV-Konsumieren. Dann und wann übten wir das spontane Überraschtsein. Es war nie langweilig und auch nicht oberflächlich. Jetzt wohnen wir schon lang nicht mehr in einer Stadt und studieren auch nicht mehr. Das unerhörte Gefühl, uns gehöre die Welt ist weg. Trotzdem gibt es bei jedem Treffen den ein oder anderen Erinnerungsausflug.
Beide sind wir Frankreichfreunde geblieben. Jeder auf seine Weise. Lang‘ haben wir uns jetzt nicht gesehen. Aber jedesmal in Rotterdam gehe ich an diesem Café Timmer vorbei und denke, da würden wir wohl auch eine Rast machen. Gerade weil diese komischen Orte den wahren Charme einer Stadt versprühen – können.
Alltag
Soll ich lachen oder weinen? Soll ich entzückt sein oder angewidert? Stundenlang kann ich Tiere beobachten. Kein Problem. Es passieren immer wieder kleine Dinge. Auf der Weide, in der Geestlandschaft woauchimmer. Jetzt habe ich The Owl Box entdeckt. So ganz bin ich nicht dahinter gestiegen. Aber eine Eule oder ein eulenähnlicher Vogel wird da in Echtzeit in seinem kleinen Leben in der kleinen Holzbox gezeigt. Es brütet, putzt sich und frisst. Jetzt weiß ich, dass es da gleichzeitig mit mir lebt. Wäre doch egal. Das machen andere auch. Trotzdem wird mir das plötzlich wichtig. Muss die Eule immer wieder auf der Seite besuchen. Sie weiß ja nicht, wie viele sie beobachten. Ist sie verängstigt?
Busfahrten empfinde ich meist als lästig. Zumindest Linienbusse. Da kommt kein Reisegefühl auf, sondern das schale Gefühl von „AufindieFischfabrikGenossen“. Bin also im Omnibus der Uni-Schnöselviertel-Gewerbegebiet-Sozialbau-undzurück in Richtung zurück unterwegs. Der Sitz ist von der Art, wie es Reisende mit Gepäck mögen: ein Platz – aber breiter. Nun wird es voll und eine russische Mitfahrerin kommt samt Kind in die Nähe. Jetzt fängt die russische Berieselung an. Verstehe nur Brocken. Wenn sie wüsste, dass ich born in the GDR bin … Die resolute Mutti bringt mich sogar dazu, meinen Rucksack gegen einen ängstlichen Jungen an meiner Seite zu tauschen. Kaktebjaszowut hätte ich mich fast beim Kind eingeschleimt, aber nur fast. Reisestille. Irgendwann aber wird ein neuer breiter Platz frei. Für mich von La-Mama reserviert.
Ende gut.
Wenn man in der Stadt lebt und die Waldsehnsucht kommt. Was tun? Der Winter präsentiert sich am goldenen Tag der Woche, der Sonnabend für jene heißt, die sich im Vierzigstundenbüroangestelltendasein wiederfinden. Ein kalter Tag. kein Auto. Harz, Oldenburg, Hude oder Verden sind verworfen. Nach Schierbrok geht es. In die ländliche Gegend bei Delmenhorst. Der harte Winter schlägt zwar zu, doch das Authentische beginnt schon beim tiefen Schritt, der vom Zug zum Bahnsteig nötig ist. Alles in Ordnung hier. Ponys kauquietschen den Rasen. Ein Steingrab zweigt sich bei Stenum.
Und das Schneegesicht:
Nach den paar Wochen Selbstlernkurs und dem Kurzurlaub bin ich immernoch nicht von dieser Sprache losgekommen.
So wie die Zukunft ausgedrückt wird, selbstsicher und unmittelbar, so gibt es auch Ausdrücke im alltäglichen Leben, die so gar nicht miesepetrig daher kommen.
Die fettarme Milch ist halfvolle melk. Hört sich doch irgendwie besser an als irgendwas mit arm an diesem oder jenem.
Was mich aber wirklich anzieht, ist der Ausdruck für billig. Billig, ja irgendwie gibt es da einen fahlen Beigeschmack. Jemand ist billig gekleidet, ist billig. Billig ist irgendwie nicht richtig gut. Ok, es gibt auch das Wort preiswert, aber wie oft wird das verwendet im Vergleich zu billig? Billig-willig-willich. Frauenverachtend? Hmm. Der Knaller aber kommt wieder im Niederländischen vor: goedkoop. Genau!
Ein toller Kauf. Beglückwünschen wir uns also einfach für die Entscheidung, etwas erworben zu haben. Eine gute Gelegenheit. Goedkoop! Jaa, sagt einfach ja zum Leben.
Ach ja, in Bremen ist grad‘ Festival der Sprachen. Ganz leise kommt’s daher. Eine tolle Veranstaltung mit sensationellem Programm.
Im Krankenbett können Bücher auch kapitaler Bestandteil des Tages werden. Reise-Bla dachte ich kurz ängstlich bei Europa kreuzweise. Geldsackgeplapper über das Essen? Quatsch. Das liest sich wie eine Blixa-Rezitation. Ganz vertraut und nebenbei ein bisserl Musikgeschichte. Wirklich zum Nahelegen.